Wie konnte ich nur? Wie konnte ich nur?
Eine Frage die ich mir die letzten Wochen regelmäßig gestellt habe. Damit ist nicht das feiern letzten Mittwoch bis 4 Uhr Nachts noch die zu wenig genutzte Mitgliedschaft bei Fitness First gemeint, sondern die Tatsache das ich vor 2 Monaten dieser Frau meine Zusage gegeben habe mit ihr zusammen zu ziehen. Meine Menschenkenntnis hat mich noch nie so im Stich gelassen.
Es fing alles damit an das ich Anfang Januar, frisch im Hotel eingezogen, immer noch keine Bleibe für die Post-Hotel-Ära hatte und es so langsam aber sicher eng wurde. Eine Verlängerung im Hotel wäre zwar nett und bequem, aber gleichzeitig relativ teuer geworden. Wir sprechen da von knackigen 150$ die Nacht, ein Zimmer in einer WG ist mit 200$ bis 500$ die Woche doch ein absolutes Schnäppchen dagegen. Wohnungs-/Mitbewohnersuche gestaltet sich in Sydney ähnlich kompliziert wie auch in Deutschland. Man verbläst eine Unmenge Zeit mit Online Suche nach Wohnungen oder WG’s und natürlich auch mit entsprechenden Besichtigungsterminen. In meinen ohnehin schon vollen Terminkalender passten also alltägliche Besichtigungstermine nicht so richtig rein, ist natürlich auch alles eine Sache der Priorität, mit Freunden und Bekannten was unternehmen lag mir halt mehr als tägliches Klinkenputzen. Frei nach dem Motto, finden lassen statt suchen habe ich dann eine Anzeige auf Flatmates.com.au (Biete/Suche Zimmer) geschaltet und mich in höchsten Tönen und mit charmant – grenzdebil – grinsenden Fotos zu präsentieren verkaufen.
Nach ein paar Tagen gab’s dann auch schon ein paar nette Angebote, die meisten Locations sagten mir allerdings nicht wirklich zu. Geduld muss man hier dann doch aufbringen. Irgendwann flatterte dann ein Angebot in mein Postfach was mich überzeugt hat. Nette 31 jährige Australierin, mit nettem – auch grenzdebil grinsenden – Foto, bat mir ein Zimmer in ihrem neuen Zuhause in Bondi Junction an. Bondi Junction? Super! Direkt zwischen City und Beach, die nächste Train Station in 5 Minuten zu erreichen und trotzdem in einer ruhigen Seitenstrasse gelegen. Auch die Anzeige las sich durchaus so, als wenn ich es dort mit einem Menschen zu tun bekommen würde, mit dem ich mich gut verstehen könnte.
Macht euch mal selber ein Bild: (Sorry, zu faul um es zu übersetzen, bemüht Google Translate)
I am a professional 31 year old Australian who has just moved into a lovely little terrace in bondi junction.
The terrace is in a great location in a quietish tree lined street between centennial park and central bondi junction. Quite spacious by terrace standards and a great sized back yard that opens on to a park. It’s old but not run down, lovely polished floor boards and decent sized bedrooms.
I am friendly and love a wine or 3 but like to keep things quiet and tidy on the home front, a little sanctuary from the world! Weekends I’m generally out and about, I love my fitness but can also be found on the couch after getting too enthusiastic at a bar or dinner the night before. I love cooking and you’re likely to walk into some kind of delicious surprise if you play your cards right 😉
Looking for another professional who enjoys their own space but happy to share a wine, employed full time, considerate and gets the housemate things. I’m pretty tidy and house proud but not mental about it. I tend to do my socialising outside of the house so you won’t find yourself awkwardly shuffling around my mates or family events all the time.
I have a little dog who is very sweet so an animal lover (rather than just a tolerater) would be ideal.
Not fussed between male or female – I’m easy going, drama free, tidy, considerate And fun – so if you are the same please get in touch. I have absolutely everything for the place and will probably need to cull so you don’t need to worry about anything but your own bedroom furniture.
*sorry no couples, room sharing or short term (under 3 months) travellers 🙂
Den ein oder anderen Satz interpretiere ich heute etwas anders als ich es noch vor 2 Monaten gemacht habe, ich möchte aber nicht vorgreifen. 🙂
Nach ein paar mal hin- und herschreiben haben wir uns dann mal für eine gemeinsame Wohnungsbesichtigung verabredet. Die Wohnung, besser gesagt das kleine Reihenmittelhaus, war noch anderweitig belegt und wurde erst 2 Wochen später frei, der aktuelle Mieter war aber trotzdem bereit uns noch mal alles zu zeigen. Ich war dann so frei und habe Corinne (Ohh nein, öffentliche Verleumdung) von der Arbeit abgeholt und wir sind gemeinsam zur Wohnung gedüst. Unterwegs nett unterhalten und schon ein wenig rumgegibbelt, mein erster Eindruck war also doch positiv (Eindrücke in 20 Minuten zu gewinnen ist nicht so ganz einfach). Das Haus hat mich dann allerdings nicht so richtig vom Hocker gerissen, ziemlich runter gerockt und klein. In Deutschland würde ich da noch nicht mal mein Auto drin parken, aber wir sprechen hier halt von Sydney und Bondi Junction. Entweder den Anspruch runter fahren oder 700$ pro Woche zahlen. Hab mich dann für ersteres entschieden und Corinne zugesagt mit ihr gemeinsam am 18. Januar einzuziehen.
Die Randbedingungen war dann auch relativ schnell geklärt. Corinne stellte alle Möbel, Waschmaschine, Trockner, Staubsauger und all das was sonst so zu einer halbwegs ordentlich ausgestatteten Wohnung gehört. 4 Wochen Miete Kaution +2 Wochen Miete im Voraus, mindestens 3 Monate dort wohnen (Oder einen Nachmieter stellen). Kostenpunkt, 350$ die Woche. Die Kaution und Miete brauchte Corinne so schnell wie möglich, also ab zur Bank und schon haben 2100$ den Besitzer gewechselt.
Eine Woche später fing das Theater mit einer kleinen Einleitung dann an zu wirken.
Corinne offenbarte mir das sie am 18. Januar nicht mit einziehen könnte weil, ja leider kein Grund, weil irgendwas. Moment mal, die Wohnung ist komplett unmöbliert (Abgesehen von meinem Bett und einer Mikrowelle), so war das aber nicht so richtig geplant. Nach ein wenig nachbohren stellte sich dann heraus das sie im Krankenhaus war, ihren Job verloren hat und aktuell kein Geld hat um ihre eingelagerten Möbel auszulösen. Sie versprach mir aber das Folgewochenende dann mit allen Möbeln einzuziehen. Das erste was mir darauf dann einfiel war, keine 1000$ Rücklagen gebildet um für so eine Situation gewappnet zu sein? Vielleicht ist das aber auch zu deutsches Denken, in den Tag hineinleben hat ja auch was schönes! 🙂
Zufälligerweise hatte ich in der Zwischenzeit im Hotel Günter kennengelernt der ab dem 18. Januar eine Bleibe suchte und so sah ich die Chance nicht nur Günter sondern gleichzeitig auch meiner neuen Mitbewohnerin einen Gefallen zu tun. Günter ist also für eine Woche als Unteruntermieter eingezogen und Corinne konnte so einen Großteil ihrer Mietkosten kompensieren.
Eine Woche später, Günter war wieder ausgezogen, Corinne versprach mir täglich am Folgetag einzuziehen, war ich immer noch alleine in der leeren und trostlosen Wohnung. Am Sonntag dann nochmals Corinne Rede und Antwort gestellt um zu erfahren wie es weiter gehen sollte. Ich würde mittelfristig einen Staubsauger brauchen, auch eine Waschmaschine wäre nett, all die Dinge die man mir zugesagt hat. Wiedermal diverse Entschuldigungen später bekam ich dann ein paar Tage später wenigstens einen Tisch und zwei Stühle, welch Luxus! Danke.
Es vergingen wieder ein paar Tage. Ich war wiedermal daran interessiert wann Corinne und die Möbel ihren Weg ins beschauliche Bondi Junction finden. Nächsten Freitag oder Samstag oder Sonntag. Meine Laune war dann das erste mal ziemlich am Boden. Was hätte ich damals für das Wissen von Heute gegeben, ich hätte sie überredet samt ihren Möbeln so lang wie möglich weg zu bleiben.
Samstag, den 1. Februar, war es dann überraschenderweise soweit. Ich bin recht spät in der Nacht nach Hause gekommen und fand das erste mal eine Corinne zu Hause, sturzbesoffen aber gut gelaunt. Möbel waren – natürlich – nicht da. Sie wollte auf einer schmalen Iso Matte schlafen, ich bat ihr dann mein aufblasbares Bett an um die Situation für sie wenigsten ein wenig angenehmer zu gestalten. Die nächsten Tage verliefen ohne jeglichen Vorkommnisse, leider wurden mir ein paar Gegebenheiten recht schnell klar.
– Der Hund haart so dermaßen das unser Parkettboden sich in einen Teppich verwandelt hat.
– Der Hund hat überall Zugang und schläft mit im Bett.
– Hundehaare auch in meinem Zimmer, an meinen Socken, in meinen Klamotten und an allen Handtüchern sowie im Essen.
– Putzen, Saugen und Ordnung halten ist nicht so ihr Ding.
– Rotwein dagegen sehr.
Der letzte Punkt machte mir dann leider öfters mal Sorgen. Im Vollrausch wurden Handtücher von mir als Fussmattten verwendet, Kaffeebecher als Aschenbecher, ein Stoffkoala (Geschenk von einem Freund) als Hundespielzeug und meine gekauften Lebensmittel wie selbstverständlich gegessen. An diesem Zeitpunkt wollte ich schon mit wehenden Fahnen die Wohnung und Bondi Junction verlassen, hatte nur dummerweise die 3 Monate Mindestmiete zugesagt. Auch die Tatsache das ein Freund von mir Ende April eine neue Wohnung sucht und ich dort mit einziehen könnte veranlasste mich die Zähne zusammen zu beißen.
Irgendwann, ich war beruflich in Lismore unterwegs, kam dann die Nachricht von Corinne das die Möbel alle da sind und alles jetzt sooo toll ist! Da war der kleine Lichtblick am Ende des Tunnels, ich sollte wiedermal eines Besseren belehrt werden.
Am nächsten Tag bin ich Abends nach Hause gekommen und durfte feststellen das sich die Wohnung in eine Baustelle und in ein Möbelhaus verwandelt hat, Möbel ÜBERALL! Ich habe leider keine Fotos vom Wohnzimmer und der Küche gemacht, aber der Garten und die Tür zum Garten geben euch zumindest eine Idee wie es drinnen aussah.


Ihre Begeisterung war groß, meine Begeisterung… hielt sich in Grenzen.
Die nächsten Tage wurden dann noch schlimmer.
Ein beißender Geruch nach nassem Hund wollte weder aus dem Haus noch aus meiner Kleidung und Handtüchern gehen, Hundekot im gesamten Garten verteilt (Neben den Möbeln) und trotz allem guten Zuredens wurde noch ein Kleiderschrank gekauft, den ich – fragt mich nicht wieso – mit ihr und meinem Auto auch noch abgeholt habe. Weiterhin war ich dann eine Woche später so freundlich, die Waschmaschine war kaputt ohne das ich sie einmal hätte verwenden können, mit ihr eine gebrauchte Waschmaschine einzusammeln, die sie kostenlos geschossen hat. Eine deutsche Waschmaschine, mit deutscher Beschriftung, ich könnte ja helfen. Die Tatsache das eine deutsche Waschmaschine ein wenig mehr wiegt als die australische Variante wurde kurzerhand mit der Aussage „I’m a strong girl“ weggefegt. Es ging natürlich GAR NICHTS, Corinne war nicht in der Lage die Waschmaschine auch nur einen Zentimeter zu bewegen, also war es an mir das Teil irgendwie ins Auto zu wuchten. An ein Tragen der Waschmaschine vom Auto ins Haus war gar nicht zu denken und meine höflichen Frage, ob sie vielleicht jemanden kennt der mir helfen könnte, wurde mit einem Augendverdrehen beantwortet. So fristete die arme deutsche Waschmaschine bis letzten Freitag ihr Dasein in meinem Auto.
Die Folgetage wurden nicht besser, der Hund wurde mittlerweile gar nicht mehr zum Gassi gehen ausgeführt (zumindest soweit ich das beurteilen konnte), Corinne’s Abendgestaltung bestand aus Wein trinken und Fernseh gucken, täglich, 7 Tage die Woche.
Es kam der Punkt wo ich tatsächlich nicht mehr konnte, die Situation war nicht mehr ertragbar. Ich hab im letzten Jahr schon ein paar Hostels gesehen und Hygiene und Sauberkeit wird da nicht immer groß geschrieben, die Verhältnisse die ich hier aber erlebt habe, waren von ganz anderer Dimension. Als ich dann noch eine Ameisenstrasse quer durch mein winziges Schlafzimmer entdeckt habe war der Ofen aus.
Ich habe eine Email, so höflich wie möglich, verfasst um mein Anliegen (Baldiges Ausziehen) klar zu machen. Begründung waren halt unterschiedliche Vorstellung von Sauberkeit, die Haare ihres Hundes und ein grundsätzlich Unwohlsein zu Hause. Ich habe schon immer mein bestes Getan eigentlich nie zu Hause zu sein. Entweder war ich beruflich unterwegs oder ich war nach der Arbeit mit Freunden und Bekannten aus oder beim Sport.
Sie hat es tatsächlich sportlich genommen und nicht über reagiert. Sie wollte zusehen möglichst bald eine Anzeige zu schalten und einen Nachmieter suchen. Ich war begeistert.
Wiederum ein- zwei Wochen später hat sich ein Nachmieter gefunden der am 15. März einziehen wollte, ich war gerne bereit am 14. März meine wenigen Habseligkeiten zu nehmen und mich aus dem Staub zu machen. Gewundert hat mich allerdings nur wie jemand bereit sein konnte freiwillig hier einzuziehen, war aber nicht mein Problem.
Am letzten Mittwoch, ich habe mich vorher für eine Woche aus dem Staub gemacht, bin ich dann wieder nach Hause gekommen. Der letzte Eklat sollte seinen Lauf nehmen. Stolz präsentierte mir Corinne das sie den Garten fertig gemacht hat und 5 Stunden dafür gebraucht hat, wie toll der nicht sei. Ich habe freundlich bestätigt, war wirklich gelungen. Sie erzählte mir außerdem das sie schon seit 2 Wochen keinen Alkohol mehr getrunken hat und sich heute, zur Feier des Tages, mal wieder eine Flasche Rotwein (Oder auch zwei?) gegönnt hätte. Glückwunsch!
Ich habe mich nur auf den Auszug am kommenden Freitag gefreut und wollte noch mal freundlich nachhaken wie wir die Waschmaschinen Situation lösen, ob sie nicht jemanden kennt der mir helfen könnte IHRE Waschmaschine in IHRE Wohnung zu schaffen. Explosion. Ich erspare euch, ausnahmsweise, die Details. Ich bin ein egoistisches Arschloch, würde selber auch nicht viel tun um die Wohnung sauber zu halten, sie mag keine Ausländer und hätte sich jetzt ne saubere Australierin gesucht, ich würde sie am laufenden Band kritisieren (Soweit ich mich erinnern konnte habe ich meinen Unmut einmalig in der Email auf höflichste Art und Weise zum Ausdruck gebracht). Ein Wort gab das nächste, ihr Monolog hatte weder Sinn noch Ziel, meine Fragen wurde auch nicht beantwortet. Sie sprang tobend unter die Dusche, setzte sich auf die Couch, beantwortete meine Fragen weiterhin nicht, gar nicht mehr, keine Reaktion. Fünf Minuten später fand ich das etwas seltsam und habe mal nachgeschaut ob sie noch lebt, musste dann feststellen das sie eingeschlafen war, sturzbesoffen. Mein Wachrütteln (Wollte sie nicht so da sitzen lassen) blieb erfolglos. Hab dann noch eine Decke geholt und sie auf der Couch schlafen gelassen. Ja ich bin tatsächlich viel zu nett, kommt man normalerweise relativ weit mit, hier nicht. Ich hätte sie am besten mit ihrem halb vollen Weinglas überschütten sollen und da sitzen lassen.
Am nächsten Morgen und auch am nächsten Abend lag sie immer noch auf der Couch, mehr oder weniger ansprechbar. Wenn sie auf meine Fragen geantwortet hat dann nur mit einem knappen Ja oder Nein. Am Freitag bin ich dann ausgezogen, aktuell warte ich noch darauf meine Kaution wiederzubekommen, ich freue mich über jegliches Daumen drücken. Es bleibt spannend.
Was kann man draus lernen? Nicht wirklich viel. Mein erster Eindruck war wirklich gut, also kann ich da nicht viel verbessern. Das einzig ratenswerte wäre nicht mit jemanden zusammen zu ziehen dessen aktuellen Wohnsitz man noch nicht gesehen hat, der Rest ist dann wohl reine Glückssache. Ich versuche es auch sportlich zu sehen, die einzig schlechte Erfahrung in einer sonst hervorragenden Zeit in Sydney.
Der Text ist dann doch etwas länger geworden als ursprünglich angenommen, aber die Geschichte entfaltet ihre ganze Brillanz erst mit diesem Detailreichtum, außerdem brauchte ich das mal um diese – hoffentlich einmalige -Erfahrung zu verarbeiten. 😉
Mit ein paar letzten Impressionen entlasse ich euch in euer Wochenende, in eure schönen, großen, komfortablen und sauberen Wohnungen und Häuser in Deutschland! 🙂
Schöne Küche
Nett organisierte Badezimmer Schublade
Tolle – halbe – Couch mit Hund und Hundehaaren
Strukturietres Schlafzimmer
Fast vergessen! Wie geht’s jetzt weiter?
Ähnlich stressig! Aktuell schlafe ich bei einem Freund in Sydney (Credits to Thorsten for that!), am 24. März ziehe ich nach Artarmon (Lower northern area) wo ich mit zwei Engländerinnen zusammen leben werde (Diesmal alles gecheckt, sieht gut aus!). Mittelfristig suche ich mit meinem australischen Kumpel Jason eine neue Bleibe die dann auch für ein Jahr oder länger so etwas wie ein Zuhause ist, es wird einfach Zeit.
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